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Das adäquate Feiern des Fremdworttags - Eine Anleitung

Das adäquate Feiern des Fremdworttags - Eine Anleitung

erstellt am von  in  Wortkolumne 

Jedes Jahr am 20. Mai fällt mir auf, wie sehr sich die Menschen in meinem Umfeld innerhalb ihrer Eloquenz zurückhalten. Dabei ist dieser Tag ein ganz Besonderer und sollte auch angemessen gefeiert werden. Finde ich.

Ein weiterer Tag, um unsere Sprache(n) zu feiern! Juhu!

Es gibt auf unserem Planeten sehr viele schöne Tage, an dem wir uns und unseren Sprachgebrauch feiern können. Klappe ich mein Fotoalbum auf, so schwelge ich sogleich in schönen Erinnerungen an einige dieser herrlichen Festtage.

Wie wunderbar war es zum Beispiel als meine Freunde und ich am 19.09.2009 mit Dreispitz und Flagge den „Sprich-wie-ein-Pirat-Tag“ feierten? Herzlich kichernd schnitten wir den leckeren Rumkugelkuchen an – mit dem Messerrrr, yarr harr feedle dee dee!

Hach, oder wenn ich erst an den 25.02.2012, der Tag, an dem, wenn ich mich nicht irre, die Schachtelsätze, die meine Freunde und ich sowieso ungewollt sehr häufig benutzen, gefeiert werden, denke. Was für ein schöner, wenn auch komplizierter, Tag.

Der Tag, an dem wir die Benutzung fremder Wörter feiern

Wer den Fremdworttag gebührend feiern möchte, muss sich am Anfang der Vorbereitungen darüber bewusst sein, welchen Ursprung dieser Tag überhaupt hat. Es wäre ja gelacht, wenn es nur darum ginge, extrovertiert den eigenen Fremdwortschatz unreflektiert hinaus in die Welt zu ballern. Wir feiern ja auch nicht Weihnachten ohne uns über die Entstehungsgeschichte dieses Festes Gedanken zu machen. Ansonsten bestünde der 24. Dezember ja auch nur aus Essen, Fernsehen und dem nervigen Entsorgen der Geschenkverpackungen. (Weiß eigentlich jemand, ob es einen Tag der Ironie bei uns in Deutschland gibt?)

Auf jeden Fall wurde der Fremdworttag 2006 von einem gewissen Bastian Melnyk erfunden. Dieser ulkige Mensch hat einen eigenen Blog, zeichnet gerne Comics und denkt sich darüber hinaus in seiner Freizeit kuriose Feiertage aus.

Kennt ihr zum Beispiel schon den Hast-du-gepupst?-Tag am 5. Februar? Nein? Dann habe ich einen nützlichen Hinweis für euch, den ich gleichzeitig auch an besagtem Tag benutzen würde: „Nicht schlimm.“

Der Entstehungsmythos des Fremdwortes

Es wird gesagt, dass Fremdwörter jene Wörter sind, die sich ungefragt in die eigene Sprache eingewoben haben. Manche benutzen wir täglich und merken es gar nicht mehr, denn sie haben sich sehr gut integriert und eingelebt bei uns. Fremdwörter scheinen zwar hinsichtlich ihrer Betonung, ihrer Schreibweisen oder der grammatikalischen Veränderungen nicht zu den Normen unserer Sprache zu passen, aber sie sind eine wahrliche Bereicherung.

Schon die Römer haben damals den Germanen einen ganzen Beutel voller Wörter mitgebracht, die wir bis heute noch in unserem deutschen Sprachgebrauch verwenden. So zum Beispiel das lateinische Wort moneta, das MÜNZE bedeutet und heutzutage nicht mehr wegzudenken ist aus kulturell wertvollen Sprüchen wie: „Her mit den Moneten! Sonst knallt's!“

Ein paar wenige Jahrhunderte später haben einige Wissenschaftler sich gedacht, dass es ganz fetzig wäre, wenn der gemeine Pöbel sie nicht mehr verstehen würde. So ist es geschehen, dass gebildete Menschen sich bis heute recht unverständlich ausdrücken und dass einige von uns keine Ahnung davon haben, wovon Ärzte eigentlich reden. Es wäre ja aber auch nicht auszuhalten, wenn ich anstatt Abdominalschmerz einfach Bauchschmerzen hätte.

Aus fremden Wörtern wird ein Trend

Natürlich hat die deutsche Sprache auch nach dem Mittelalter nicht einfach damit aufgehört, sich Fremdwörter mit ins Boot zu holen. Mit dem Dreißigjährigen Krieg kamen zum Beispiel viele militärische Begriffe dazu, die wir bis heute noch benutzen. So wurde das italienische Wort soldato zu SOLDAT und aus dem Tschechischen haben wir das Wort PISTOLE bekommen, welches ursprünglich pištola war. Aufgrund des Kriegsausgangs liegt natürlich auch nahe, dass sich viele französische Wörter bei uns etablierten. Wenn Mama, Papa, Tante oder Onkel elegant sind und ein Parfum aufgetragen haben, verdanken wir zumindest die Sprechweise darüber unseren französischen Nachbarn.

Aus einem Trend wird Normalität

Es wird immer Menschen geben, die sich mit hochgezogenen Augenbrauen grimmig einer Veränderung in den Weg stellen werden. Ich schließe hierbei auch mich selbst nicht aus oder ein und muss mich oft daran erinnern, dass alles stets im Wandel ist. Auch wenn mich Anglizismen manchmal nerven, so bin ich doch letztendlich froh, dass ich zu einer JEANS nicht mehr Niethose sagen muss.

Schon immer wurden fremde Wörter skeptisch beäugt und da wir Menschen Gewohnheitstiere sind, können wir uns sicher auch nicht von heute auf morgen gänzlich davon befreien. Ein gutes Beispiel liefern uns die Jugend(un)wörter der jeweiligen Jahre. Was uns hier fremd und komisch erscheint, könnte in einem Jahrzehnt bereits Normalität geworden sein.

In der Linguistik läuft dieses Phänomen unter dem Titel Sprachwandelgesetz. Dabei gibt es den vollständigen Sprachwandel und den reversiblen Sprachwandel. Bei der ersten Variante wird nahezu vollkommen ein altes Wort durch ein Neues ersetzt, während der reversible Sprachwandel die Wörter vereint, die sich erst rasant ausbreiten, um dann langsam wieder zu verschwinden.

Bild 1: Die Menschen, die nach 2000 geboren sind, werden zum Beispiel wohl kaum noch etwas mit dem Begriff Tamagotchi anfangen können.

Lasst uns unser Wissen feiern

Jetzt haben wir viel gelernt über den Gebrauch, die Herkunft und die Bedeutung von Fremdwörtern in der deutschen Sprache. Nun ist es daran, unser Wissen auch zu feiern.

Der 20. Mai ist ein Tag, der uns daran erinnern sollte, dass das Fremde gut ist, weil es uns weiterbringt und dadurch alles in Bewegung bleibt! Ohne fremde Dinge, Worte und Menschen hätten wir auch kein Eigenes, weil wir uns erst mithilfe von Abgrenzungen definieren. Indem wir das Fremde feiern, feiern wir unsere eigene Identität. Lasst uns am Fremdworttag unseren reichhaltigen Wortschatz feiern! Lasst uns die Diversität feiern!

Feiertage eignen sich für Anekdoten

Am Fremdworttag backe ich gerne einen Apfel-Crumble, serviere meinen Freunden einen Champagner und erzähle witzige Anekdoten, die ich mit der Benutzung von Fremdwörtern erlebe.

Da gab es zum Beispiel diesen Briten, der mir ganz stolz erzählte, dass er gerne BRATWURST isst. In diesem Moment wurde mir etwas bewusst, das eigentlich selbstverständlich ist: Andere Sprachen haben genau so viele Fremdwörter.

Beliebte deutsche Fremdwörter im Englischen sind neben bratwurst auch ehrgeiz, glockenspiel, kindergarten, sauerkraut, schadenfreude, wanderlust, weltschmerz, zeitgeist oder zwieback.

Meine Russischlehrerin erzählte mir außerdem einmal, dass das Wort butterbrot ihrem Herkunftsland sehr gerne benutzt wird. Dort geht die bezeichnete Sache allerdings über die Butter hinaus und meint ganz allgemein ein belegtes Brot.

Euch fallen bestimmt auch einige solcher Geschichten ein. Diese könnt ihr am 20. Mai erzählen, um dem Fremdwort eine Ehre zu erweisen.

Fremde Worte feiern – 365 Tage im Jahr

Genau wie wir nach dem Valentinstag nicht aufhören, die Menschen um uns herum zu lieben und zu schätzen, sollten wir auch dem Fremdwort an jedem anderen Tag im Jahr unsere Wertschätzung entgegen bringen. Wenn die Feierlichkeiten des 20. Mai vorbei sind, dann ist das zwar schade, aber wir sollten nie müde werden, uns der Bedeutung der Fremdwörter für unsere Sprache bewusst zu sein. Sie bedeuten nämlich auch, dass wir immer fähig sein werden, dazuzulernen. Lernt doch einfach ein paar neue Fremdwörter, mit deren Benutzung ihr beim nächsten Arzt- oder Amtsbesuch glänzen könnt.

Und das wichtigste zum Schluss: Wenn ihr innerhalb eines Gespräches einmal nicht wisst, wovon gesprochen wird aufgrund der überhöhten Anzahl an Fremdwörtern, dann ist das immer noch kein Weltuntergang.

Der ist nämlich wiederum zehn Tage später am 30. Mai. Dieser Meinung ist zumindest der Sänger Kurt-Adolf Thelen gewesen, als er es 1954 mit seinen Liedzeilen „Am 30. Mai ist der Weltuntergang! Wir leben nicht mehr lang! Wir leben nicht mehr lang!“ an die Spitze der deutschen Hitliste geschafft hat, die übrigens seit dem gleichen Jahr genau so heißt. So viel zum Thema Anglizismen.

Bildquellen

Titelbild - party via getstencil, Bildrechte bei 1337 UGC GmbH

Bild 1 Tamagotchi by Tomasz Sienicki, CC-BY-SA-3.0 via Wikimedia Commons; https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Tamagotchi_0124_ubt.jpeg