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Anstiftung zum Worterfinden

Anstiftung zum Worterfinden

erstellt am von  in  Wortwissen 

Buchtipp: „Wortschatz. 698 neue Worte für alle Lebenslagen“

Eigentlich sollten wir alle viel öfter zesen. „Zesen“ bezeichnet den Vorgang des Worterfindens. Dieses Wort ist zurückzuführen auf Philipp von Zesen, einen Worterfinder aus dem 17. Jahrhundert, der z.B. die Begriffe „Kreislauf“ und „Emporkömmling“ schuf.

Natürlich gibt es das Wort „zesen“ offiziell (noch) nicht. Doch es gibt ein Buch, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, dieses und andere Wörter in Umlauf zu bringen: „Wortschatz. 698 neue Worte für alle Lebenslagen“.

Die gesammelten Neuwörter entstammen der Zeitschrift Neon. In der Rubrik „Wortschatz“ stellen die Redakteure und Leser seit 2010 ihre Erfindungen vor. Die losen Enden dieser kurzen und kurzweiligen Rubrik wurden durch Texte von Sascha Lobo zusammengewoben, dem Star der deutschen Blogger-Szene. Schließlich ist er ein Fachmann in dem Bereich, der heute alle Lebenslagen durchzieht und ständig neue Wörter hervorbringt: Die digitale Welt und die neuen Medien. Neben weniger kreativen Wortneuschöpfungen (z.B. vor herkömmliche Wörter einfach das „I“ vom I-Pod hängen) gibt es im Bereich der neuen Medien auch Wörter, die im Alltag brauchbar sein könnten. Zum Beispiel das „Simsulieren“ als das Vortäuschen eine SMS zu schreiben, wenn man zu einer missliebigen Person keinen Kontakt aufnehmen möchte.

Neue Wörter und schräge Bilder

Oft sind die Neuwörter mehr Wortspielerei als ernst zu nehmender Vorschlag, aber genau das macht den Reiz des Buches aus: Da finden sich einige schräge Herleitungen und Plausibelmachungen, warum dieses neue Wort nun notwendig ist. Die Unhöflichkeit genervter Bahnreisender braucht einen Namen: „bahnhöflich“. Die schrecklich drapierten Haare nach dem Friseurbesuch sind eine „Frusur“ – eine Mischung aus Frust und Frisur.

Illustriert werden die Neuwörter mit den gewollt dilettantischen und zum Teil unerhört direkten Zeichnungen von Frank Höhne. Schön skurril ist zum Beispiel das Bild eines Mannes, der kopfüber an einer Wäschespinne hängt. Diese Zeichnung ziert einen Text, in dem es um die Angst vor Spinnen geht.

Gesucht: Neue Begriffe für schlechte Laune

Überraschend ist, dass der Tenor dieses eigentlich unterhaltsamen Buches negativ ist: Ein Großteil der Neuwörter beschreibt unangenehme Situationen, Dinge oder Menschen. Als gäbe es davon noch nicht genug. Ganze Kapitel befassen sich zum Beispiel mit „Neuen Worte für neue negative Gefühle“ oder „35 neuen Facetten für die weitläufige Begriffswelt der menschlichen Dummheit“. Unter anderem schlägt das Buch vor, das Wort „Problem“ in "Kontrablem" umzubenennen, weil Problem zu viel „pro“ enthält.

Besonders empfehlenswert sind die Passagen, die den Leser zum Worterfinden anstiften. „Erfindet Worte!“ schreibt Sascha Lobo, „Und verwendet sie, denn Sprache ist wie Geld, die schiere Existenz ist sinnlos, auf die Benutzung und Zirkulation kommt es an.“ Die vielleicht witzigste Art zu „Zesen“ ist die umgekehrte Herangehensweise: In diesem Fall ist nicht zuerst ein Ding da, das einen neuen Namen braucht, sondern ein Name, der ein Ding braucht. Das in „Wortschatz“ genannte Beispiel ist die „Klümme“. Bisher ist die Klümme nur eine Wort ohne real existierendes Ding, auf das es verweist. Die Idee ist, dieses Wort einfach laut in eine belebte Fußgängerzone zu rufen: „Vorsicht, die Klümme!“ Man müsse nur die Reaktion der Leute abwarten und könne sich dann einen Reim darauf machen.

„Wortschatz“ ist kein Buch, das man von vorn nach hinten durchliest. Eher ist es zum flanieren geeignet, zum ausprobieren und sich inspirieren lassen. Nicht zu verwechseln ist das Wort inspirieren übrigens mit dem „insbierieren“. Das bezeichnet die spontane Planänderung beim Anblick eines Bieres. Noch so ein nützliches neues Wort.

Das Buch kostet 8,99€ und kann bei Amazon bestellt werden.

Bildquellen

  • Wortschatz Buchcover: © APA (Buchcover/rororo)